ůbern růckn des atlantiks den rand des nachmittags

Gedichte

Autor:

Susanne Eules

Besprechung:

Jürgen Brôcan

 

Jenseits des GehEules die LaserS.KA(H)LPelle // über Susanne Eules ersten Gedichtband.

24.04.2012 | Hamburg

Die Befürworter der sprachexperimentellen Dichtung und deren Verächter stehen einander nicht selten unversöhnlich gegenüber. Daß dies nicht notwendig so sein muß, zeigen nun in schönster Weise die Gedichte von Susanne Eules, denn sie sollten diesseits und jenseits des trennenden Grabens gefallen. Eules’ Gedichte sind nämlich allemal ansprechend, weil konkret, bildhaft und inhaltsschwer, nichts ist, trotz ihrer Komplexität, in elfenbeinerne Höhen geschraubt, im Gegenteil, die Balance zwischen Verankerung in den Realien und sprachlicher Destabilisierung macht den ungewöhnlichen Reiz des (auch ansonsten schön gestalteten) Bandes aus. Selten hat das Sezieren der Sprache solches Vergnügen bereitet.

Was zunächst auffällt, sind verfremdende Schreibungen. Unter anderem durch Markierungen, Punkte im Wort, unübliche Trennungen taucht zum Beispiel die See im „seegelherz“, das Auge im „zÅUGEnblick“, die Frage in den „frag.menten“ auf. Mittels solcher Frakturen entstehen weitere Bedeutungsebenen, die den — laut gelesen nicht besonders ungewöhnlichen — Gedichten auf optische Weise einen sprachlich aufgeladenen Subtext unterschieben. Andere grafische Elemente sind nordisch aussehende Umlaute wie å, ů oder ø oder das gleichsam runenhafte ÿ. Sie verlangsamen das Lesetempo, fordern zu konzentrierterer Lektüre und schärferer Wahrnehmung auf. Allerdings beschränkt sich ihre Funktion allein nicht darauf, denn sie sind Teile eines vielsprachigen Gewebes mit Einschlüssen und Einflüssen des Englischen und Französischen, einmontierten Zitaten und diversen Anspielungen auf u.a. Brecht, Celan, Hölderlin, Mörike, Christiane Vulpius, Paula Modersohn-Becker, Sylvia Plath, Emily Dickinson und — wen sonst — Friederike Mayröcker.

Es ist schwer, die Gedichte des vorliegenden Bandes auf einen Nenner zu bringen, jedes hat seine eigenen Gravitationszentren, wird durch die besagten Mittel zu einem Kräftespiel verschiedener Verweise. „schachtel & halm — am damm der fahrt“, beginnt etwa ein Gedicht, das als „postkard : fading“ getarnt ist, als verblassende Postkarte also, in der qua Scheibung auch das Postkardiale mitschwingt: Das Urtümliche ist ebenso präsent wie der moderne Zivilisationmüll, die Fahrt ist zugleich eine gedämmte, unterbrochen von Bertolt-Brecht-Zeilen, „lasst euch nicht“, nämlich: verführen. Das Schwindende und Verlorene verliert den sprachlich geleimten Zusammenhalt, doch es bleibt der Trost: „immer blůht die kunst des wacholderwerks“. Solche Naturbeschreibungen sind in Eules’ Gedichten nicht selten, stets verquickt mit ihrer sprachlichen Darstellung, die eine Wahrnehmungsform ist. Dem Naturgedicht wird somit eine naive Idyllik ausgetrieben, doch über den Umweg der Verfremdung, die eine Entfremdung ist, kommt sie wieder hinein, als Folie für die Sehnsucht.

MELA.ncholie

lotung der SINNschrift
soggranul der sch.reib

flåche fokussiert an ner
fåcherung : das mittwissn

kerbig im gingkoblatt :
dehn & sehnung:

schlitzlicht das
auf die wortkante fållt

Das Nebeneinander von salopper Rede und hohem Bildungsgut biegt das Artifizielle wieder zurück in den Alltag, in die Beobachtung, in die Erfahrung. Das scheint mir die umgekehrte Richtung von manchen anderen avancierten Bemühungen zu sein, die Sprache als solche aufzurauhen und sichtbar zu machen. Susanne Eules gelingt es erfolgreich, alle — vielleicht widerstreitenden? —Elemente miteinander zu verbinden.


Originalbeitrag


Susanne Eules: ůbern růckn des atlantiks den rand des nachmittags. FIXPOETRY.Verlag, Hamburg 2012. 100 S., 15.00 Euro.

 

 

 

Jürgen Brôcan:  Beyond the howling (GehEules), the laser scalpel// about Susanne Eules'  firstbooks of poems, April 24, 2012, fixpoetry Hamburg, in:

 

http://www.fixpoetry.com/feuilleton/rezensionen/1486.html.

 

Proponents of linguistic experimental poetry and their detractors face each other often unforgiving. That this may not be necessary is shown in a beautiful way by the poems of Susanne Eules, as they should fall on either side of the separating trench alike.

            Eules' poems are in fact always appealing because concretely, pictorially and content-heavy, nothing is - despite their complexity -  elevated in ivory heights, on the contrary, the balance between anchoring in the realities and linguistic destabilization makes the unusual charm of the (even otherwise well-designed) volume. Rarely the dissection of language has given so much pleasure.

            What first strikes, is the defamiliarised spelling. Among other things, by markings, dots in the word, unusual separations, for instance the lake ("see") emerges in "seegelherz" (sailing heart), the eye ("auge") in the "zÅUGEnblick" (witness gaze), the question ("frage") in the "frag.menten" (fragments). By means of such fractures more levels of meaning occur. The read aloud not particularly unusual poems foist in an optical way a linguistically charged subtext.

            Other graphic elements are Nordic looking umlauts as å, ø ů or rune-like ÿ. They slow down the reading pace, invite you to take a more concentrated reading and sharper perception.

            However, their function alone isn't limited merely to that because they are part of a multi-lingual tissue with inclusions and influences of English and French, mounted quotes and various allusions to, inter alia, Brecht, Celan, Hölderlin, Mörike, Christiane Vulpius, Paula Modersohn-Becker, Sylvia Plath, Emily Dickinson and - who other - Mayröcker.

            It is difficult to bring the poems in this volume to a common denominator, each has its own centers of gravity, is determined by the said means to an interplay of forces of different references. "Box & blade of grass - on the embankment of the ride," begins a poem as "postkard: fading" that is disguised as a fading postcard, thus, in the qua spelling resonates even the Post Cardiac: The Primal is just as present as the modern civilization garbage, the ride is also an insulated one, interrupted by Bertolt Brecht-lines, "do not let yourselves be", namely: seduced. The dwindling and the lost loses the language's glued cohesion, but it remains the consolation: "always blooms the art of the juniper's opus". Such descriptions of nature are not rare in Eules' poems, always intertwined with their linguistic representation, which is a form of perception. A naive idyll is thus expelled from the nature poem, but indirectly via the disassociation that is an alienation, it comes back inside, as a foil for the longing.

            The juxtaposition of rakish speech and high educational heritage bends the artificial back into everyday life, in the observation, in the experience. That seems to me the reverse direction of some other advanced efforts to roughen the language as such and make it visible. Susanne Eules succeeds auspiciously in combining all - perhaps conflicting? - elements.